Kindeswohl
Ian McEwan
Ian McEwan hat mit „Kindeswohl“ einen bewegenden Roman geschrieben. Ein juristisch und moralisch schwieriger Fall: Muss ein Kind vor seiner Religion und vor sich selber geschützt werden? Als Leser gerät man ins Grübeln: Wie würde ich entscheiden?
Das Spezialgebiet der 59-jährigen Richterin Fiona Maye ist das Familienrecht. Seit mehr als 30 Jahren ist Fiona mit Jack verheiratet. Der konfrontiert seine Frau mit dem Wunsch, eine parallele Beziehung mit seiner Geliebten einzugehen, und bittet die geschockte und gekränkte Fiona um ihr Einverständnis. Ausgerechnet an diesem Tag wird ihr ein dringender Fall zur Entscheidung vorgelegt: Der an Leukämie erkrankte 17-jährige Adam soll eine Bluttransfusion erhalten. Ohne diese Behandlung wird der Junge nach Einschätzung der Ärzte qualvoll sterben. Die Eltern und auch Adam selber verweigern jedoch die Blutübertragung aus religiösen Gründen.
Innerhalb weniger Tage muss Fiona entscheiden, ob Adam die Transfusion erhalten soll oder nicht. Um die Reife des fast 18-jährigen Jungen einschätzen zu können, möchte sie mit ihm sprechen und besucht ihn im Krankenhaus. Fiona muss beurteilen, ob Adam vor dem Gesetz schon als volljährig betrachtet werden kann und damit selber über die Behandlung entscheiden darf. Oder ob der Junge noch nicht reif genug ist und die tragischen Folgen nicht richtig einschätzt. Entscheidet nun das Gericht zum Schutz des Kindes und der Junge erhält die Bluttransfusion gegen seinen Willen? Fiona muss trotz der privaten Probleme einen klaren Kopf bewahren. Und sie trifft eine Entscheidung…
Der Roman schildert die Konflikte und Grenzen in der Wissenschaft, Medizin, Rechtsprechung, Religion und in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Berührend sind die Dialoge und dennoch ist die Erzählweise ohne Umschweife. Ian McEwan bringt die Zusammenhänge in diesem kurzen Roman auf den Punkt. Daher absolut gelungen und lesenswert!
Kindeswohl
Ian McEwan
Diogenes Verlag Zürich
(Meine Ausgabe ist aus der Büchergilde Gutenberg.)