„Siegfried“ ist der Stiefvater eines Mädchens, das geprägt ist durch Konflikte und Erniedrigungen in der Familie, hin- und hergerissen zwischen den Erwachsenen. Die Anspannung ist greifbar und die Auswirkungen auf das Leben der jungen Frau spürbar. Geniale wie seltsame Szenen bleiben in meinem Gedächtnis haften.
Ein Streit mit dem Partner und das Fass läuft über: Eine Frau ist dem Zusammenbruch nahe, sie kann nicht mehr, macht sich auf den Weg in die Psychatrie. Dort will sie sich ausruhen – doch während sie wartet, kreisen ihre Gedanken.
Die Kindheit mit ihrer Mutter, Stiefvater Siegfried und Oma Hilde holt sie ständig ein. Siegfried ermöglicht der Familie ein Leben mit edlen Autos und Designermöbeln. Doch das führt zu Abhängigkeit, Streit und Demütigung. Verzweifelt versucht das Mädchen, den aufkeimenden Ärger zu besänftigen. Doch die unterschiedliche soziale Herkunft ist immer spürbar – dafür sorgen Stiefvater Siegfried und Oma Hilde durch ihr abwertendes Verhalten.
Die Autorin Antonia Baum stellt die Charaktere eindrucksvoll dar. Siegfried und dessen Mutter Hilde sind dominant und namentlich präsent. Die Ich-Erzählerin und die Mutter bleiben hingegen namenlos. Sie kämpfen meist im Stillen, bis eine der beiden es nicht mehr aushält. Großartig sind die Wahrnehmungen und Empfindungen des Mädchens gezeichnet.
„Siegfried“ ist die Geschichte einer nach außen geordneten Wohlstands-Familie, die krachend in sich zusammenfällt. Und dann wie ein klebriges Gummiband an der Gegenwart zieht.
Große Lese- und Hörbuch-Empfehlung!
Siegfried
Antonia Baum
claassen bei Ullstein Buchverlage
Das Hörbuch habe ich parallel gehört – toll gelesen von Julia Nachtmann